Ute Goerke

Journalistin / Dipl. Geologin

 

Erschienen als Hintergrundbericht beim epd-Fachdienst sozial, Ev. Pressedienst Frankfurt am Main, September 2003

 

Pojekt der Dortmunder Mitternachtsmission für Kinder und Jugendliche in der Prostitution läuft aus

Auf den Ausstieg einlassen

Dortmund. Kontrolliert, reglementiert und abgeschirmt: so sieht das Prostituierten-Leben gerade von Kindern und Jugendlichen aus. Um daraus einen Ausweg zu finden, bietet die Mitternachtsmission Dortmund spezielle Hilfen für diese Gruppe an. Dieses bundesweit einmalige Projekt läuft jedoch Ende September aus. Damit die Arbeit weiter läuft, sucht die Dortmunder Beratungsstelle nach anderen finanziellen Quellen.

Die Prostitution von Minderjährigen findet im Verborgenen statt. In den zwei Projektjahren betreute die Beratungsstellen über 100 Minderjährige. Die Dunkelziffer ist wahrscheinlich sehr viel höher. „Wir wissen nur, dass sehr viele Prostituierte als junge Mädchen anfangen”, so Jutta Geißler-Hehlke, die Leiterin der Mitternachtsmission. Daher können es nicht wenige sein, die mit 13 bis 15 Jahren oder noch jünger einsteigen.

Die beiden Projektmitarbeiterinnen Silvia Tinner und Katja Barthel finden die Betroffenen meist bei ihrer aufsuchenden Arbeit. So auch die 15-jährige Anja, die von ihrem Freund zur Prostitution gezwungen wurde und schon einige Tage ohne Schlaf und Nahrung an der Straße stand. Sie war sofort bereit, aus dem Milieu auszusteigen und wurde sicher in einer anderen Stadt untergebracht.

Andere brauchen meist länger für den Ausstieg, da der Druck von den Zuhältern enorm hoch ist, wenn sie diesen Wunsch äußern. Fehlende Lebenserfahrung führt dazu, dass die Mädchen stärker unter psychischen und physischen Druck der Zuhälter stehen. Auch von Seiten der Prostitutionskunden sind die jüngeren Betroffenen häufiger Vergewaltigung und Misshandlung ausgesetzt. Sie lassen sich auf Sexualpraktiken ein, die erwachsene Prostituierte aus Eigenschutz ablehnen. Von der Gewaltzunahme in der Szene sind die Schwächsten am stärksten ausgesetzt, und das sind meist die Kinder.

„Es gibt keine homogene Gruppe oder den einen Grund für einen Einstieg in das Milieu”, erläutert Silvia Tinner, die Projektleiterin, „aber viele erfahren schon in ihren Familien sexuelle Übergriffe.” Manche Mädchen werden sogar im Familien- und Freundeskreis zur Prostitution „rumgereicht” – meist gegen Bezahlung.

Die Problemlagen der Kinder und Jugendlichen unterscheiden sich von denen älteren, erwachsener Frauen in der Prostitution. Sie müssen von der Streetworkerin Katja Barthel nicht nur an anderen Orten aufgesucht werden, sondern auch intensiver und länger betreut werden als ältere Prostituierte, bevor sie sich auf Hilfe und eventuell Ausstieg einlassen. Ziel der Beratung ist immer eine neue Zukunft mit Chancen auf einen Schulabschluss, eine Ausbildung und ein Leben außerhalb der Prostitution.

Das Projekt wurde mit insgesamt 179.000 Euro überwiegend von der Stiftung Deutsche Jugendmarke e.V. finanziert. Davon übernahmen die Ev. Kirche von Westfalen und das Land NRW einen Teil. Die Kosten für die Grundversorgung der Betroffenen wie Kleidung, Nahrung und andere Einzelhilfen finanzierte die Mitternachtsmission durch Spenden.

Ein Ende der Arbeit wäre fatal, weil gerade aufgebaute Kontakte zu Betroffenen, aber auch zu Einrichtungen der Jugendhilfe, Schulen und Behörden verkümmern würden. Die Mitternachtsmission hofft darauf, dass ihre Arbeit weiterhin unterstützt wird und verhandelt zurzeit mit der Ev. Kirche Deutschland (EKD).


Mit Kontaktadresse und einem Infokasten für Zahlenmaterial